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phoenix-fliegt Erinnerungs- und Zukunftsbilder für DAS RUHRGEBIET - Dokumentarische Filmcollage von Horst Herz

TV-SENDETITEL WDR: KULTUR STATT KOHLE

PHOENIX-FLIEGT@RUHRGEBIET

KUNST SETZT ZEICHEN - Erinnerungs- und Zukunftsbilder für eine Industrieregion im radikalen Wandel. Gedreht an den magischen Orten der Industriekultur im Ruhrgebiet.
Dokumentarische Filmcollage von Horst Herz. Sprecher: Joachim Król. Gefördert vom Filmbüro NRW. In Kooperation mit dem WDR (Red.: Felix Kuballa / WDR-DOK) und dem Sender Phoenix. 115 Min., D 2001 - 08

ZUM INHALT

PHOENIX-FLIEGT ist ein Beitrag zur aktuellen Diskussionen um die Umstrukturierung des Ballungszentrums Ruhrgebiet. Die andauernden Probleme der Region wie: konstant hohe Arbeitslosenrate oder die Abnahme und Überalterung der Bevölkerung (Shrinking City), erfordern neue Problembewältigungsstrategien und modellhafte Zukunftsprojekte. Der Film zeigt, wie künstlerische Auseinandersetzung und Interventionen an den ehemaligen Orten der Arbeit, zur Entstehung erlebbarer „Sehnsuchts- und Hoffnungsräume“ beitragen kann. Neue „Zukunftsbilder“ werden zur Diskussion gestellt - auch für andere Industrieregionen mit vergleichbaren Strukturproblemen.

Eine Filmcollage zur Rolle von Kunst und Kultur im zukünftigen Ruhrgebiet. Arbeiten international renommierter Künstler an „magischen Orten“ der Industriekulturdenkmäler stehen im Dialog mit den unwiederbringlichen Bildern einer untergehenden Welt der Industriearbeit - im Film am Beispiel der Schließung des „Bergwerks Westfalen" verdeutlicht. Geschichten aus der Alltags- und Arbeiterkultur, aus der Welt des Sports und aus den Lebenswelten der Einwanderer stehen im Kontrast zur Eventkultur der „Ruhrtriennale“, der „Landmarkenkunst“ (Richard Serra´s „Bramme für das Ruhrgebiet“) oder zu den Arbeiten Bildender Künstler in den ehemals „verbotenen Städten“ und vergangenen Orten der Arbeit. Die Beschwörung von "Engeln" als Botschafter zwischen den Welten von Videokünstler Bill Viola im Gasometer Oberhausen steht gleichwertig neben der Betrachtung eines Kumpels über "seine" in jahrelanger Arbeit geschaffene Abraumhalde und dem Stolz über seine Visitenkarte aus Plastik mit der Berufsbezeichnung „Haldendesigner“.

Foto: Demontage des Stahlwerks "Phoenix" in Dortmund - Hörde durch chinesische Arbeiter / Zeche Nordstern, Installation von Dani Karavan

DIE PROTAGONISTEN

Bill Viola („Five Angels“) im Industriekulturdenkmal Gasometer Oberhausen, Peter Greenaway („Ten Maps To Paradise“) in der Lohnhalle der Zeche Westfalen, Jürgen Kohler (Fussballgott) im Westfalenstadion, ZT Hollandia mit Jeroen Willems in der Ruhrtrienale-Oper „Sentimenti“, Jahrhunderthalle Bochum, die türkische Band „Express 2000“, der Betriebsrat Udo Zambo, die Bergarbeiterkapelle „Knockin´ On“, die Belegschaft der Kohlenwäsche und die Haldendesigner, die Künstler Karin Veldhues, Gottfried Schumacher, Tomasz Domanski und Richard Sous in der „verbotenen Stadt“ der ehemaligen Kokerei Hansa in Dortmund, unbekannte Graffitikünstlern sowie Kain Karawahn´s Feuerperformance und die französische Trommelgruppe „Tambours du Bronx“ im ehemals größten Stahlwerk Europas: „Phoenix“, in Dortmund Horde. Robert Wilson und Bernice Johnson-Reagan im „Landschaftspark Duisburg“, die Thesen von Bazon Brock in der Waschkaue des Bergwerks „Zeche Westfalen“ in Ahlen, die Boxer vom BSK Ahlen – 2. Bundesliga, die bekannteste Rockband der Welt vor dem neuen Einkaufszentrum Centro in Oberhausen und viele weitere Helden des Ruhrpotts.

Bill Viola

VIDEOKÜNSTLER IM GASOMETER OBERHAUSEN:

"Ich glaube auch, dass wir im Moment in einer sehr instabilen Zeit leben - das kann man spüren. Da ist eine Beziehung zwischen unseren Ländern wie ich sie vorher im Leben noch nie empfunden habe. Da ist eine Art von Instabilität in der Welt wie sie noch nie in der Geschichte vorgekommen ist und wir lernen unter großen Schwierigkeiten wie wir als Menschen aneinander näher kommen können. Die Mittel die ich in meiner künstlerischen Arbeit verwende: die neuen Medien wie Mikrofone, Videokameras, Internet etc.. - das sind nur Hilfsmittel einander näher zu kommen. Die Dinge die uns auf der zwischenmenschlichen Ebene wirklich weiterbringen - sind nicht die Politik oder die Technik - ich glaube wirklich es ist Humanität und Spiritualität."

Udo Zambo

BETRIEBSRAT DER ZECHE "WESTFALEN"

"Ich habe so manchmal das Gefühl, es wird vergessen, daß wir Menschen nun mal da sind. Und bei der Gründung von Firmen wird das immer mehr in den Hintergrund gedrückt. Und man liest immer nur: "Personal einsparen! Personal einsparen! Senken – reduzieren." Also ich wundere mich wie man das vor 30-40 Jahren gemacht hat. Da haben die Menschen auch gearbeitet. Und sie konnten auch bezahlt werden. Und die Produkte wurden verkauft. Heute – wenn eine Firma nicht läuft dann baut man mal ein paar Arbeitsplätze ab und schon sieht alles wieder rosig und besser aus. Das kann es einfach nicht sein! Die Menschen sind nun mal da! Oder wir müssen uns mal was überlegen wie wir das stoppen, sonst gibt es irgendwann den Exitus."

PETER GREENAWAY

BRITISCHER FILMEMACHER

stellt in der Lohnhalle des Bergwerks „Westfalen“ sein geplantes Multimediaprojekt „Wege ins Paradies“ vor. Zitat: "Leute die meine Filme kennen, wissen, dass ich gerne Strukturen aus Zahlen, Buchstaben und numerischen Zeichen verwende. Ich bin begeistert über den ursprünglichen Zustand dieser genialen Anlage die jetzt stillgelegt wird. Dieser Ort hier ist wie ein großartiges Studio in dem man einen fantastischen Film kann.“

BILDER FÜR DIE REGION

BEOBACHTUNGEN. DEMONTAGE-MONTAGE

Sonnenuntergang: Die "verbotene Stadt" darf betreten werden. Tausende versammeln sich vor stillgelegten Hochöfen und erleben die Neugeburt des „Phoenix“ - eine Feuerkunstperformance von Kain Karawahn, während drüben im „Westfalenstadion“ von Borussia Dortmund der Fußballgott Jürgen Kohler von 50 000 Fans bejubelt wird. Montagmorgen. 8 Uhr. Einsame Graffitikünstler am Rande einer riesigen Brachfläche: "Phoenix Ost". Vor wenigen Monaten befand sich hier in Dortmund - Hoerde noch eines der größten Stahlwerke Europas mit bis zu 25 000 Arbeitsplätzen. Brauchbares wurde nach China verkauft. Das verseuchte Areal soll 2011 zu einem vom Fluss Emscher gespeisten Freizeitsee werden. Oberhausen „Neue Mitte“. Eine warme Vollmondnacht: Open-Airkonzert. Die bekannte Rock´n Roll Band spielt. Auf der alten Eisenbahnbrücke prosten sich die Zaungäste zu. Am Horizont leuchtet der Gasometer - die ungewöhnlichste Ausstellungshalle Europas. Drinnen: ein Projekt des amerikanischen Videokünstlers. Bill Viola: „Five Angels For the Milleneum“. Landschaftspark Duisburg-Nord: In der Gebläsehalle eines ehemaligen Stahlwerks stellt Robert Wilson die Musik der afroamerikanischen Gospel-Komponistin Bernice Johnson Reagon vor. Bochum: Die ehemalige Kraftzentrale eines Hüttenwerks – die Jahrhunderthalle, ist heute monumentale Konzerthalle. Zur Musik von Verdi spielt die holländische Theatergruppe ZT Hollandia: „Sentimenti“, ein Stück über die Zeit als u.a. die italienischen „Gastarbeiter“ in den Ruhrpott geholt wurden. Dortmund: Eine Gruppe nackter Menschen irrt durch verlassene Industrieanlagen und trifft auf langsam dahin schmelzende Eismenschen neben lila bemalten Bahngleisen auf der früheren Kokerei Hansa. Bildende Künstler wie Karin Veldhues, Gottfried Schumacher oder Tomasz Domanski führen den Dialog mit monumentalen Schrotthaufen auf dem Industriekulturdenkmal Kokerei Hansa.

Zwischen Erinnerung + Zukunft

Die unwiederbringlichen vom Verschwinden bedrohten Bilder werden am Beispiel der Schließung eines der letzten Kohlebergwerke am östlichsten Rand des Ruhrgebiets – der Zeche „Westfalen“ festgehalten.

Entstanden sind: spontane Begegnungen und Gespräche mit vielen deutschen und türkischen Bergleuten; mit der Belegschaft der Kohlenwäsche des Bergwerks; den Catfahrern und „Haldendesignern“ der Abraumhalden; mit Bergleuten in der Lampenstube, in den Waschkauen, im Betriebsratsbüro, in der Kantine, in der Lohnhalle und an den Fördermaschinen und Förderschächten.

Wieder gehen für die nachkommende Generation 3000 Arbeitsplätze verloren. Geschichten vom Verlust des Arbeitsplatzes. Im Viertel unweit der Zeche – in der „Kolonie“ treiben wir uns (16) auf türkischen Hochzeiten (Orhan Deniz, Elektriker in der Lampenstube mit seiner Band Express 2000), (17) in Arbeitersportkneipen (ATSV, Wetterweg), (18) auf Boxkämpfen (BSK - Ahlen, 2. Bundesliga), (19) in der Moschee oder (20) im Übungsraum der Bergarbeiterband Knockin On („Wild Thing“) herum. In der Lohnhalle der Zeche: Der britische Filmemacher Peter Greenaway (21) stellt das Konzept für sein Zukunftsprojekt „Ein Weg ins Paradies“ nach der Schließung der Zeche vor. Location Waschkaue: Ästhetikprofessor Bazon Brock (22) trägt Thesen zum Thema: „Bilder für die Region“ vor.

phoenix-fliegt

KUNST SETZT ZEICHEN! - Heimatfilm - Zwischenzeit

Mit "phoenix-fliegt" drehte ich den siebten Film in meiner Heimatregion Ruhrgebiet. Fünf Jahre - von 2001 bis 2008, bin ich mit kleinen DV-Kameras immer wieder auf Entdeckungsreisen gegangen.

B a z o n B r o c k

Zitate Vortrag im Rahmen der „Regionale“ zum Thema: „Bilder für eine Region“ in der Waschkaue der Zeche „Westfalen“: „Ethnische Zugehörigkeit, rassische Merkmale, Sprachgemeinschaftlichkeit, Kulturinteressen – zählen als gesellschaftsstiftender Konsens - als Übereinkunft nicht mehr. Die haben wir nicht mehr gemeinsam.(..) In der Region ist gemeinschaftsstiftend: Die Fähigkeit der Menschen sich auf die Probleme eben dieser Region - von der Landschaftszerstörung, Wasserversorgung, Infrastruktur, was auch immer – einzulassen. Ohne die Besserwisserei: „Unser Gott erzählt uns aber...“ oder: „Unsere Ideologie sagt uns aber...“ , „Unser Parteiführer hat aber versprochen...“. Die sind nicht so blöde zu glauben: der nächste Ministerpräsident, das nächste Parteiprogramm löst ihnen die Probleme. Sondern das sind Manager der Probleme. Die können die Probleme aushaltbar machen. Und wir leben zusammen um uns zu sagen – wir versichern uns sozusagen wechselseitig – Lehrer – Studenten – Schüler – Nachbarn: „Wir laufen nicht davon! Wir bleiben hier! Hier halten dem Stand!“ (...) „Hier seh´ her“ – hier ist was! Jetzt erzähl ich dir was. Das ist toll. Das hat Einfluss. Das hat Kraft! Hier hängt eine ganze Geschichte dran. Jetzt erschließe ich dir das!“ Er macht ihn neugierig – interessiert. Also, kurz gesagt, er bringt es dazu, etwas für wertvoll zu erklären."

"Das nennen wir: Strategie der Luxurierung"

"Regionalisierung heißt also: Luxuriert mit euren Beständen. Treibt sie raus ins Kostbare, ins Wertvolle – macht sie wertvoll! Indem ihr sie schätzen lernt. Wertschätzung für das Unauffällige, bisher Übersehene, bisher durch die Kriterien der Unterscheidung gar nicht erst Vorgetretene, in die Wahrnehmung gekommene... Denn ich möchte unter Menschen leben, mich aufhalten, mich an ihnen orientieren... die mir gegen meinen eigenen Zweifel, meine eigene Gleichgültigkeit und meine eigene Verstiegenheit etc., zeigen können: „Es gibt keinen Grund zur Verzweiflung, zu verzweifeln an der latenten Vermüllung, an der Einebnung aller Werte, am Verschleißen aller Unterschiede“ – das ist ja die generelle Globalisierungstendenz: generelle Vermüllung. Es gibt Menschen die mir zeigen, dass das nicht unser Schicksal ist - sei es sogar so weit gehend – und das wünschte ich mir als Intelligenz, das wir schließlich den Müll zu verehren lernen...Die Götter die wir verehren, die uns Kontinuität der Geschichtsbetrachtung und Orientierung auf die nächste Generation garantieren – sind diese Götter des strahlenden Mülls. Wir müssen Ihnen endlich Kathedralen bauen – mitten in unseren Städten! ...“

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